Madames Obergärtner
Wilhelm Eichin ( 21. 6. 1885-12. 12. 1970)
Seinen „Platz an der Sonne“ genoss Wilhelm Eichin bis fast zuletzt. Im Juni 1970 lebte er mit seiner zweiten Frau im Laufenburger Stadteil Berg im früheren Anwesen Pfister in der Hännerstraße, liebte es, draußen zu sein – vor dem Haus auf der Bank oder dahinter im Hof. Anlässlich seines 85. Geburtstages befragte ihn ein Mitarbeiter der Badischen Zeitung zu seinem Leben. Nur wenige Monate später, am 12. Dezember desselben Jahres starb er. Die Fotos und Unterlagen zu seinem Leben bewahrt sein Enkelsohn Peter Grüninger auf. Einige Informationen steuerte im Nachhinein per Mail auch seine Enkelin Uta L. E. Eichin Laempe bei.
Der Zeitungsmann hörte Spannendes, denn Eichin hatte viel erlebt: Er war ein hoch ausgezeichneter Kriegsveteran, vier Wahlperioden lang Laufenburger Stadtrat und – 26 Jahre lang der „Obergärtner“ der Schlösslemadame Mary Elisabeth Codman. Eichin war es, der den großen Park beim Schlössle maßgeblich gestaltet, die Gewächshäuser jenseits der Straße betreut und die Außenanlagen um den Kriegerfelsen und die Codmananlage geplant und angelegt hat. Die Laufenburger Schlösslemadame hielt viel von ihm, das Vertrauensverhältnis der beiden, die sich durch ihre Liebe zu und ihr Verständnis für die Natur verbunden fühlten, reichte sogar über ihren Tod hinaus. Mary Codman bestimmte Echin zu dem Mann, der ihren Sarg nach Amerika geleiten sollte, falls Adlatus Hermann Brutsche das nicht möglich gewesen wäre. Eichin reiste mit ihr, allerdings nur bis zum Schiff nach Bremen, Hermann Brutsche begleitete sie bis nach Amerika.
Wilhelm Eichin wurde am 21. Juni 1885 im Hebeldorf Hausen im Wiesental geboren. Er hatte drei Kinder, nämlich besagte Tochter Elisabeth sowie die beiden Söhne Wilhelm (geboren am 1. Januar 1914) und Karl, der um 1944 herum in Russland starb. Und als die Familie einmal in finanzielle Schwierigkeiten geriet, schenkte Madame laut Enkelsohn Peter Grüninger ihrem Obergärtner 8000 Goldmark, damit das Haus in Hausen für die Familie erhalten werden konnte.
Seine erste und lebenslange berufliche Liebe fand Wilhelm Eichin schon früh: Draußen sein in der Natur, die Beschäftigung mit Pflanzen, das war „seins“. Das Handwerk eines Gärtners erlernte er in Basel, arbeitete als Geselle in Birsfelden, Zürich, Schopfheim und Waldshut. Eines Tages tauchte de Schkösslemadame in Waldshut auf und orderte elf Gärtner zur Pflege ihrer weitläufigen Außenanlagen. Unter ihnen befand sich Wilhelm Eichin. Er kam und blieb, sogar bis 1932, also drei Jahre nach dem Tod der Mary Codman. Für ihn waren das die schönsten Jahre seines Lebens.
26 Jahre lang organisierte er im Frühjahr und im Herbst den Umzug der vielen großen Palmen von und zurück ins Winterquartier im Keller des Hauses „Mariagrün“, in dem er mit seiner Familie auch lebte. Eichins Tochter Elisabeth erinnerte sich viele Jahre später daran, dass der Zug der Palmen für die Laufenburger immer ein besonderes Ereignis gewesen sei. Liebevoll beschreibt sie in ihren Erinnerungen den Park, in dem ihr Vater arbeitete, schilderte den Schlösslepark als einen Zaubergarten mit all den herrlichen Palmen, den bunten, mit Buchs eingefassten Blumenrabatten, den exotischen Pflanzen, dem Seerosenteich und dem großen Mosaikbad, das im Winter immer eingeschalt wurde, und in dem die Kinder auch ab und an baden durften. Im Frühjahr blühten in die Rhododendren in allen Farben. Wilhelm Eichin betreute zudem die Gewäschshäuser auf der anderen Straßenseite, wo selbst der Spargel wuchs und züchtete zusammen mit der Schlösslemadame sogar eigene Rosen. Und an der Wand zur Küche klommen blaue Glyzinien die Mauersteine empor. Als der deutsche Kaiser Wilhelm einmal zu Besuch in Mary Codmas Haus in Zürich war, sorgte Wilhelm Eichin für den Blumenschmuck.
Tochter Elisabeth erzählt in ihren Erinnerungen zudem von den Weihnachtsgeschenken der Schlösslemadame für die Kinder des Kindergartens im Haus Mariagrün, einem Wintermantel oder einer knallgelben Wolljacke. Geschenke, die Wilhelm Eichin im Namen der Schlösslemadame verteilte. Er baute außerdem jedes Jahr die kleine Bühne auf, auf der die Kinder der edlen Spenderin mit einem kleinen Theaterspiel dankten. In der benachbarten katholischen Kirche errichtete er die Weihnachtskrippe beim Josefs-Altar, betreute die Codmananlage und pflegte im Auftrag der Schlösslemadame das Grabmal des verstorbenen Stadtpfarrers Grimm. Eine kleine Geschichte weiß Tochter Elisabeth außerdem zur steinernen Brücke im Schösslepark zu erzählen. Die stammt demnach nicht nur direkt aus Japan, sondern ist darüber hinaus bei einem Schiffsunglück noch von Matrosen gerettet worden.
Wilhelm Eichin war aber weit mehr als der Obergärtner der Schlösslemadame. Von 1907 bis 1909 leistete er seinen Wehrdienst beim ersten Badischen Grenardierregiment 169 ab. 1912 heiratete er die Albbruckerin Elisabeth Haus, drei Kinder wurden geboren. Tochter Elisabeth zog später nach Immendingen, Sohn Willi nach Schopfheim. Eichins Ältester, Karl, kehrte aus dem Russlandfeldzug nicht mehr heim.
Auch Wilhelm Eichin selbst musste in den Krieg ziehen und kämpfte im Ersten Weltkrieg an der Westfront beim Reserveinfantrieregiment 109. Bereits im Oktober 1914 wurde er mit dem Eisernen Kreuz und der Badischen Verdienstmedaille ausgezeichnet. Im Februar 1915 erhielt er die höchste badische Kriegsauszeichnung, den Karl-Friedrich-Verdienstorden, der mit einem monatlichen Ehrensold einher ging.
Jahre später, im Zweiten Weltkrieg, verlor er nicht nur seinen Sohn, sondern auch seine Frau. Gegen Kriegsende fielen Bomben auf Albbruck. Elisabeth Eichin war gerade dort zu Besuch, wurde verwundet und starb schließlich 1947 an diesen Verletzungen. Drei Jahre danach, inzwischen im Ruhestand, heiratete Wilhelm Eichin ein zweites Mal.
Eichin hat auch außerhalb der Gärten und Parkanlagen Spuren hinterlassen, die bis heute in Laufenburg nachwirken: Selbst ein guter Turner war er Ehrenmitglied in den Turnvereinen Hausen und Laufenurg-Rhina, Ehrenmitglied des Laufenburger Schützenvereins sowie des ehemaligen Laufenburger Arbeiter-Bildungsvereins. Er war Mitglied im Militärverein und Obmann der Freiwilligen Feuerwehr Laufenburg sowie von 1919 bis 1932 Laufenburger Stadtrat.
Die Schlösslezeit von Grüningers Mutter Elisabeth war in der Familie „immer ein dankbares Thema. Wir lebten teilweise in Louis Seize Möbeln und Gegenständen, welche mein Großvater geerbt hatte“, berichtet Peter Grüninger. Bei den Nachkommen Eichins ist Mary Codman bis heute präsent, natürlich in Form von Erzählungen, aber auch durch Gegenstände aus dem Haushalt der Schlösslemadame, die sich im Besitz der Familie befinden. Enkel Peter, aus dessen Archiv die hier zitierten Unterlagen und Fotos stammen, erzählt, seine Mutter Elisabeth (geb. 1921 im Haus Mariagrün) habe „mehrere Gegenstände aus dem Besitz von Mme Codman“ von ihrem Vater geerbt. Das gilt auch für die Familien der anderen Söhne. Eichin „bekam sie von Mme Codman.“
Um die Möbel rankt sich eine weitere Geschichte, Peter Grüninger: „Bei der Hochzeit meiner Mutter geriet ein Lastwagen voller Möbel aus dem Schlössle unter einen Zug.Verletzt wurde niemand, doch war ein Teil der Möbel zerstört. Alles was von den Möbeln etc. ankam, ist bis heute im Besitz unserer Familie. Meine Cousine, deren Vater Willy Eichin der älteste Sohn meines Großvaters war, schenkte dem Museum Schiff eine wertvolle chinesische Vase aus dem Erbe Codman.“ Bei besagter Cousine handelt es sich um Uta, die Tochter von Eichins Schwiegertochter Margarete, geborene Gebhardt. Über die Schenkung der beiden identischen und sehr wertvollen chinesischen Deckelvasen von etwa 40 Zentimeter Höhe an das Schweizer Museum berichtete am 18. September 2009 dann auch der SÜDKURIER.
Ein Puderdöschen von Mme Codman, gekauft in Paris, verströmt im Hause Grüninger indessen noch heute den angenehmen Duft jener Zeit … .
Quelle: Mails und Fotos von Peter Grüninger, Enkel von Mme Codmans Gärtner Wilhelm Eichin, 21. 12. 20