Hallo miteinander,

eigentlich sollte ich jetzt ganz heftig die Werbetrommel rühren, mein neuer Kappe-Krimi zum Jahr 1972 in Berlin ist erschienen. Uneigentlich habe ich aber mehr Lust Pläne zu schmieden. Bei mir steht ein weiterer Aufbruch bevor. Strecke unklar, Ziel modifizierbar, Ende offen.

Zum Hintergrund: Um meinen 40. Geburtstag herum wurde mir – den Grund weiß ich nicht mehr – plötzlich und zugegebenermaßen ziemlich spät bewusst, dass ich namenstechnisch die Kombination aus Himmel und Erde bin. Petra kommt von Petrus, das wiederum heißt „der Fels“. Und Gabriel – na, den Verkünderengel kennen die meisten. Das war der Erzengel, der einer Jungfrau namens Maria erklärt hat, dass sie schwanger ist. Diese Geschichte ist natürlich bezüglich Aufgabenstellung und Vorstellungsvermögen nicht zu toppen.

Inzwischen habe ich mich nicht nur mit der Namensgebung meiner Eltern ausgesöhnt, sondern beschlossen die Herausforderung anzunehmen. Nomen ist schließlich Omen, wie der Lateiner sagt. Deshalb rufe ich hiermit den offiziellen Beginn meines „Gabriel-Projektes“ aus: Ich plane an möglichst viele Orte dieser Welt zu reisen, die meinen Namen tragen. Oder den des Erzengels, wie es Ihnen lieber ist. Ich weiß, das ist ein ziemlich kühnes Unterfangen. Wenigstens bin ich spirituell gesehen in guter Gesellschaft.

Einen Ort namens El Gabriel habe ich, eher zufällig, schon gefunden, und zwar auf Kuba (siehe auch mein GuGL-Archiv). Dazu gibt es bereits einen Text. Sie finden ihn im dazugehörigen Buch oder im Anhang.

Bevor Sie ihn lesen, habe ich noch eine Frage an Sie: Kennen Sie Orte mit meinem Namen, egal in welchem Teil der Welt? Dann teilen Sie mir diese bitte mit. Hätten Sie vielleicht sogar Lust mich dort zu treffen (nein, es gibt keinen Preis und die Reisekosten müssen Sie zudem selbst zahlen)? Dann schicken Sie mir einfach eine Mail an info@petra-gabriel.de. Auf diese Weise können Sie erfahren, wann und wohin es als nächstes geht. Alle anderen müssen sich mit dem Bericht danach begnügen.

Also dann, vielleicht bis bald auf diesem Wege.

Petra Gabriel

Hier nun der Auszug aus meinem Buch „Ein Jahr auf Kuba“ – und damit gleich die Folge eins meines Gabriel-Projektes.

Meine Wenigkeit, unterwegs im Taxi mit und von Yuan, einem grünen 1952-er Ford , mein Ziel ist ein Ort: El Gabriel. Yuan ist ein Bär von Mann, gemütlich, wortkarg, aber sehr freundlich. Wir haben übrigens den 29. Februar. Also auch noch ein Schaltjahr.

Niemand von meinen kubanischen Freunden kennt dieses Dorf ungefähr 60 Kilometer südlich von Havanna in der Provinz Artemisia. Dort, so habe ich gehört, soll es viele Rebellen gegen das Batista-Regime gegeben haben. Es findet sich auch in keinem Reiseführer (dabei ist der Ausflug sehr empfehlenswert). Doch seit ich es zum ersten Mal auf der Karte entdeckt habe war klar: Da muss ich hin. Damit die Vorfreude richtig wirken kann, sollte das mein letzter größerer Ausflug auf Kuba werden. Quasi eine Art Abschiedsgeschenk von mir für mich.

Schon die Fahrt ist herrlich. Statt des angekündigten Regens angenehme Temperaturen um die 20 Grad bei durchwachsener Bewölkung. Yuan, der auch noch nie in EL Gabriel war, es ebenfalls nicht kennt, chauffiert mich über die Dörfer. Erst Richtung Flughafen, dann Santiago de Las Vegas, vorbei am Wallfahrtsort Rincón (dort gibt es eine berühmte Kirche, in der Katholiken und Anhänger der Santeria am 17. Dezember der Tag des Heiligen Lázaro feiern), La Salud und schließlich der Ort El Gabriel, der zur Gemeinde Güira de Melena gehört. So heißt auch die nächste größere Stadt. Zum Punto de Cayamas am karibischen Meer wäre es auch nicht mehr allzu weit, wenn es denn eine Straße dorthin gäbe.

Wir passieren Felder mit roter Erde. Ich sehe Tomatenpflanzen in Reih und Glied, Kohl, Bohnen, Gurken, Knoblauch. Dazu Ananas, Avokadobäume, Malanga, es wird Honig produziert. Hier, erfahre ich von Yuan, wird das Gemüse für Havanna angebaut. Die rote Erde ist also fruchtbar. Auf dem Heimweg kauft er dann auch gleich kiloweise Yuka und Süßkartoffeln für ein großes Familienfest ein. Hier ist es günstiger als in Havanna.

Und dann, um die Gegend von Salud herum: Zuckerrohrfelder soweit das Auge reicht. Wir fahren über Bahngleise und an einer Zuckerfabrik vorbei, zu der die Gleise führen. Darauf stehen rostige Wagons und warten auf ihre Ladung. In der Luft liegt süß und schwer der Geruch von Karamel.

Ich genieße die Fahrt in vollen Zügen: Kein Müll an den Straßenrändern und auch nichts von der Lärmverschmutzung, die mir in Havanna immer wieder zu schaffen macht. Ich bin und bleibe halt eine Landpomeranze, auch wenn ich einen Teil des Jahres in Berlin lebe. Pferdefuhrwerke, lange nicht so viele Autos auf den schmalen Straßen, es ist einfach wunderbar, die Vögel zu hören und den Wind, der durch die Wedel der zahlreichen großen Königspalmen streift, die sich am Wegesrand finden. Touristen? Fehlanzeige. Außer mir natürlich.

Das Wort Wegesrand ist nicht zufällig gewählt. Denn wirkliche Straßen mit asphaltierter Decke sind es oft nicht. Und wenn, dann hat der Asphalt riesige Löcher. Yuan hat also keine Zeit, zu genießen. Er fragt sich durch, weicht mit gerunzelter Stirn Löchern und Kratern aus – und macht sich große Sorgen um die Hydraulik der Federung seines Ford. Ich kenne „meinen” Taxista schon von früheren Fahrten: Groß und breit, anfangs dachte ich, wie passt der Mann in seinen Ford. Aber er hat, wie gesagt, die Ruhe weg. Normalerweise. Nicht so bei diesem Ausflug. Er bemüht sich jedoch sehr, es mir nicht zu zeigen.

Und El Gabriel selbst? Beschaulich, als liege der Ort in einer eigenen Zeitzone – und wie ich finde ziemlich romantisch. Blühende Büsche in den Vorgärten der meist, wie bisher auf dem Land in Kuba üblich, einstöckigen, Häuser. Gleich zweimal passieren wir großzügig angelegte und gut gepflegte Parkanlagen, aus denen, wie könnte es anders sein, die Büste von José Marti grüßt. Nur eines finden wir nicht: ein Ortsschild. Ich hätte so gerne ein Foto davon gehabt, zum Beweis, dass ich dort war. Und jetzt verstehe ich auch besser, warum so wenige El Gabriel auf Kuba kennen. Aber ich kann Ihnen versichern, es existiert. Denn mehr als ein Mensch hat meinem fragenden Taxista den Weg gewiesen.

Zurück geht es dann auf die bequeme Weise über eine autoverträgliche Piste ab Güira de Melena bis Havanna. Sehr zur Freude von Yuan, der ab diesem Zeitpunkt wieder ganz die Ruhe selbst war.